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 Grenzgang zwischen Klassik und Zukunft

Grenzgang zwischen Klassik und Zukunft

Vollständige Geschichte erschienen in: bestseller EINS 2019

Der Handel agiert im Spannungsfeld internationaler Digitalskepsis, des Traums der größtmöglichen Individualisierung und starker Massenmedien. Mediaexperten sehen dabei klare Erfolgsstrategien.

Vor rund einem Jahr hatten sich die Handelsriesen Procter & Gamble und Unilever mit ihren Media-dienstleistern angelegt. Sie bemängelten fehlende Transparenz und zu wenig verifizierbare Standards im Online-geschäft. Procter & Gambles Chief Brand Officer Marc Pritchard prangerte an, dass es „zu unterschiedliche Messsysteme, Publi-sher-Berichte ohne Beweiskraft, überholte Agenturverträge und Betrugsversuche“ im Mediageschäft gäbe. In der Folge kürzten sie international die Onlinebudgets. Aber hatte das einen Effekt auf die österreichischen Mediaagenturen oder die Handelsbud-gets? Wie gehen heimische Mediaagenturen mit Handelsmarken, Strategien und Daten um? Und wohin gehen die Trends im Mediageschäft?

International versus lokal

Auf die internationalen Geschehnisse angesprochen meint Joachim Krügel, Geschäftsführer der Media 1, dass „das in mancherlei Hinsicht schon wieder ein alter Hut ist. Denn die Branche hat auf einige Kritikpunkte sehr rasch reagiert. Gröbere Themen gibt es sicher bei den GAFA (Google, Apple, Facebook und Amazon, Anm.), deren Intransparenz nicht flächendeckend abgenommen hat. Zudem wurden zum Beispiel einige Fehler bei Eigenmeldungen, etwa die Bewegtbildreichweite bei Facebook, bekannt. Betrugsversuche im Mediageschäft mag es geben, bei unserer Agentur gibt es sie jedenfalls nicht.“ Er ergänzt, dass viel Kritik aus sehr hohen Ad-Fraud-Raten in den USA entstand. Die gäbe es aber in dieser Form in Österreich nicht. Susanne Koll, CEO der Omnicom Media Group, reagiert direkt auf die Aussa-gen von P&Gs Brand Officer: „Pritchard hat auch gesagt, dass der verstärkte Fokus auf Onlinekommunikation nicht maßgeblich zum Geschäftserfolg beigetragen hat. Datenbasiertes Marketing ist natürlich sehr sexy, aber auch sehr kleinteilig und fragmentiert. Unternehmen wie P&G und Unilever produzieren aber Produkte für die Masse.“ Im Mediaplan hieße das oft, dass die Markenkommunikation über die Kanäle und Botschaften nicht voll abgestimmt sei und nicht ein Unternehmensziel verfolge. Koll weiter: „Dieses Ziel ist jedoch durch die enorme Fragmentierung und Komplexität absolut überlebensnotwendig. Wir müssen den Menschen, die wir erreichen wollen, wieder näherkommen, uns in ihre Lage versetzen, ihre Bedürfnisse und ungenutzten Wünsche verstehen und die Welt mit ihren Augen sehen. Eine Marke, die es in den nächsten zwei Jahren nicht schafft, Performance und Brand wieder viel enger zusammenzubringen, wird es daher in Zukunft sehr schwer haben.“ Ähnlich sieht das MediaCom-CEO Andreas Vretscha: „Speziell im Bereich von Social Media hat sich das Bewusstsein verstärkt, dass sehr strikt auf Brand Safety geachtet werden muss.“ Seine Agentur hat bereits vor fünf Jahren mit allen digitalen Anbietern eine intensive Diskussion darüber begonnen, dass man nicht bereit wäre, für Ad Impressions zu zahlen, die zwar technisch vom Adserver „ausgelöst“ wurden, die User aber nachweislich durch zum Beispiel Adblocker, „below the fold“, Ladezeiten etc. nie erreicht hatten. Vretscha: „Damals wurde uns zum Teil entgegnet, dass wir das Inventar am Markt künstlich verkürzen wollen. Aber genau das ist der Punkt: Dieses Inventar gab und gibt es nur virtuell. Auch für den digitalen Bereich gilt, dass nur sichtbare Ads wirken können. Dieses Beispiel kann als pro toto gesehen werden.“ Er vergleicht daher Digital mit einem revoltierenden Teenager, der viel ausprobiert und Grenzen überschreitet. Er besteht aber darauf, dass Regeln eingehalten werden müssen: „Einerseits die Kennzahlen, die von uns, von Kunden oder von Dritten unabhängig vom jeweiligen Vermarkter mitgemessen werden, andererseits alle Kennzahlen, die einen unmittelbaren Rückschluss auf Kunden-KPIs zulassen. Das können zum Beispiel Qualified Visits und natürlich auch Online-Sales sein. Ad Fraud, Bots und Co. sind für uns ‚kontrollierbare‘ Variablen, da wir hohe Investments in Systeme und Software tätigen, die genau das ausschließen.“

Die österreichischen (Online-)Medien nehmen dabei bei den Mediaagenturen eine besondere Rolle ein. Denn ihnen wird der bewusste und verantwortungsvolle Umgang mit Ad Fraud oder Brand Safety zugetraut. Ursula Arnold, CEO Mindshare: „Qualitativ hochwertigen österreichischen Content zu belegen ist trans-parent und nachvollziehbar. Sobald sich lokale Seiten auch durch internationale Vermarkternetzwerke vermarkten lassen, ist die Sicherheit nicht mehr zu 100 Prozent gegeben.”

Handel und Strategie

Arnolds Agentur betreut neben Marken wie Red Bull, den Unilever-Marken Eskimo, Axe, Dove oder Knorr seit Anfang des Jahres auch den Rewe-Konzern mit zwölf Marken. Für die Mediastrategie bei Handelsmarken gibt es natürlich kein Patentrezept. Arnold: „Da wir so viele unterschiedliche Marken betreuen, sind auch die Strategien je nach Zielsetzung sehr unter-schiedlich. TV ist bei den meisten noch die Hauptmediengattung, um die Masse anzusprechen. Auch OOH und Print spielen als Massenmedien eine wichtige Rolle. Digital wird vor allem bei der jungen Zielgruppe eingesetzt.“ Als Beispiel nennt sie die Unilever-Marke Knorr. Die hatte, um ihre neuen Produkte einem jüngeren Publikum näherzubringen, eine Online-Kochshow eingesetzt. Für Arnold „ein gutes Beispiel, wie man auch als eingeführte Marke mit langer Historie für eine zielgruppengerechte Ansprache Influencer als authentische Markenbotschafter identifiziert“. Aber auch hier natürlich nicht alleine, sondern in Kombination mit einer weitreichenden Multichannel-Kampagne. Mediastrategien für Handelsmarken sind also bis zu einem gewissen Grad weniger „neu“ und online als gedacht. Die Omnicom Media Group betreute die Rewe-Marken 16 Jahre lang. OMG-CEO Susanne Koll kennt daher die Komplexität und Schnelllebigkeit des Handels sehr gut und erklärt, warum: „So lange wie sich der Handel über den Preis definiert, werden sich die Mediainvestitionen und die Auswahl der Medienkanäle nicht ändern. Klares Ziel ist bei diesen Kampagnen, die jeweilige Aktion schnellstmöglich an eine breite Masse zu kommunizieren. Natürlich wäre es jetzt ‚trendi-ger‘, zu sagen, dass die klassischen Mediakanäle wie TV und Print an Relevanz verlieren werden. Doch haben selbst E-Commerce-Kunden wie Amazon oder Zalando verstanden, dass Kommunikation, die ausschließlich über Online stattfindet, ihre Grenzen hat. Sie setzten daher verstärkt auf Massenmedien wie zum Beispiel TV.“ Wobei E-Commerce eine eigene Sichtweise auf Kommunikation habe. Koll schildert, dass sie für ihren Kunden Zalando die Kampagnen nicht nach dem klassischen TKP/Reichweiten-Model optimiere, sondern danach, welchen Beitrag jede einzelne Platzierung zu den Website-Zugriffen bzw. dem Warenkorb leistete, mit einem Ziel, Conversions zu steigern. Kundendaten spielen dabei eine wichtige Rolle.

Daten, das Gold des Handels

Koll weiter: „Kundendaten sind das Gold des Handels, denn sie erlauben uns, personalisierte Kundenerlebnisse in großem Maßstab zu identifizieren und zu definieren, um bessere Geschäftsergebnisse für unsere Kunden zu erzielen.“ Wie das geht, erklärt sie anhand dieses Beispiels aus dem Autohandel: Der Kunde geht auf die Website eines Autoanbieters. Die Mediaagentur sieht, welche Informationen für diesen bestimmten Kunden relevant sind, ob und wie er den Konfigurator nutzt und ob er an einer Probefahrt interessiert ist. Dadurch weiß sie, dass er an einem bestimmten Model interessiert ist oder welche Ausstattung für ihn wichtig ist. Diese Information – sogenannte First-Party-Daten – erlaubt es der Agentur, Zielgruppensegmente zu definieren und entsprechend mit anderen Datensätzen wie beispielsweise Geodaten, Clickstream, Walled-Garden-Daten (zum Beispiel Google) und Kunden-CRM-Daten anzureichern. So erhält die Agentur ein Verständnis über das Verhalten und die Bedürfnisse der potenziellen Kunden. Damit kann sie die Werbe-botschaften entsprechend den Bedürfnissen anpassen, ausspielen und auf dem Weg zur Kaufentscheidung beeinflussen. Ausgespielt werden dann nicht etwa zwei bis drei Onlinebanner, sondern Hunderte. Die werden nicht im klassischen Sinne hergestellt. Sie werden automatisiert innerhalb einer Plattform erstellt und das Ergebnis auf Basis der Interaktion mit den Benutzern dynamisch optimiert (Dynamic Creative Optimization). „Die Technologien für dieses datenbasierte Marketing sind bereits länger vorhanden, doch lassen die Qualität der Daten und die Targeting-Möglichkeiten der Anbieter noch Raum für Verbesserungen. Und die Einführung der DSGVO hat auch nicht zur Verbesserung der Qualität beziehungsweise Verfügbarkeit der Daten beigetragen“, sagt Koll. MediaCom-CEO Vretscha sieht hier alle in der Verantwortung: „Oberstes Credo bei der Nutzung von Daten jeder Art ist der hundertprozentige DSGVO-konforme Einsatz. Ich sehe hier alle Akteure in einer moralischen Verpflichtung, verantwortungsvoll mit Daten um zugehen. Unter dieser Prämisse bieten aggregierte und vollkommen anonymisierte Daten spannende Anwendungsgebiete wie Segmentierungen oder Lookalike-Bildung.“

KI, Kreationsoptimierung, Wachstum und Erlebnis

Auch Ursula Arnold, CEO Mindshare, wünscht sich Transparenz und Sicherheit im Umgang mit sensiblen Kundendaten. Das ist notwendig, denn: „Uns als Mediaagentur geht es darum, die Werbebotschaft zur perfekten Zeit in der optimalen Stimmung an den richtigen Entscheider zu bringen. Die uns zur Verfügung stehenden Daten werden immer konkreter und die Datenquellen immer fundierter, aber gleichzeitig immer mehr. Es wird also immer mehr zu der Kombination von menschlicher Intelligenz und Automatisierung kommen. Voice und Visuality bringen sicher Veränderung und vor allem Bewegung in die Kommunikation. Dazu kommt künstliche Intelligenz. KI wird in der Marketingpraxis einen fixen Platz bekommen. Wir setzen jetzt schon Systeme ein, die für die KI der Zukunft kompatibel sind.“ Aber die Entwicklung in der Mediabranche ist damit natürlich noch lange nicht abgeschlossen. Joachim Krügel, Geschäftsführer Media 1: „Tools zur kombinierten Reichweitenmessung werden verbessert werden, die Forschung zur Bestimmung des Wirkbeitrags jedes Kanals im Mix ebenso. Und es liegen große Möglichkeiten in der gezielteren Aussteuerung von Kreation und Media. Ich wünschte, wir wären dabei schon weiter. Jedenfalls werden in absehbarer Zeit nicht nur mediaplanerische Optimierungen auf Medien- oder Kanalebene gang und gäbe sein, sondern auch laufende Optimierungen der Kreation.“ Den Kunden und seine Ziele darf man bei all den technischen Möglichkeiten aber nicht aus den Augen verlieren. Andreas Vretscha, CEO MediaCom: „Wir sehen Kommunikation als Möglichkeit, Wachstum zu schaffen. Für uns liegt die Aufgabe darin, klar zu beraten und dann auch zu messen, wie Wachstum durch Kommunikation ermöglicht wird.“ Susanne Koll, CEO Omnicom Media Group, ergänzt: „Wir müssen aufhören, in Silos zu denken! Die Kunden sind nicht nur online oder nur offline unterwegs. Sie unterscheiden auch nicht, wo und woher sie welche Informationen bekommen haben. Um im stationären Handel erfolgreich und gegen Amazon und Co. wettbewerbsfähig zu bleiben, muss ein Umdenken stattfinden. Weg von einer ‚simpleren‘ Distributionsplattform hin zu einer Distribution von Erlebnissen, die auf die Anforderungen und Wünsche des Kunden abgestimmt sind.“

Sparen für Fortgeschrittene

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"Es reicht schon lange nicht mehr, schöne Bilder zu zeigen"

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